»Ich möchte gern wissen, warum dich das so gefesselt hat.«

»Nun, es schien mir, dass ein Mann, der diese großartige Erzählung zu erdichten vermochte, genau gewusst haben müsse, was er sagen wollte, und dass in dem, was er gesagt hat, keine Vieldeutigkeit vorhanden sein könne.

[…] Die Erzählung von Kain und Abel grub sich tief in mich ein, und ich ging sie Wort für Wort durch. Je mehr ich darüber nachdachte, desto tiefer erschieån sie mir. Ich verglich darauf die Übersetzungen, sie stimmten ziemlich genau miteinander überein. Nur eine einzige Stelle machte mir Kopfzerbrechen. In der King-James-Ausgabe heißt es an der betreffenden Stelle – dort nämlich, wo Jehova zu Kain spricht: „Wenn du recht tust, wirst du nicht angenommen werden? Und wenn du nicht recht tust, liegt die Sünde vor der Tür. Und zu dir wird sein ihr Verlangen, und du wirst herrschen über sie.“ Dieses ›du wirst‹ fiel mir auf, weil es eine Verheißung ist, dass Kain über die Sünde siegen werde. In anderen Übersetzungen ist stattdessen ein „Du sollst“ angegeben.[…] Ich habe das Problem vorgelegt und wir haben es diskutiert. Vier ältere Herren, der jüngste über 90, begannen Hebräisch zu lernen. Sie engagierten einen Rabbi und lernten wie Schulkinder, sogar das Schreiben von rechts nach links. Die Fragen, die eindringliche Betrachtung, ach, dieses schöne, dieses herrliche Denken! Sie gingen bis zur Wurzel des Problems und das Gold, das sie erschürften, war “Du kannst”.«

»Ich habe mich bemüht, genau zu folgen, aber es ist mir doch vielleicht das eine oder andere entgangen. Warum ist denn das Wort so bedeutsam?«

»Ja, merken Sie das nicht? „Du sollst“ befiehlt dem Menschen, über die Sünde den Sieg davonzutragen, und man kann Sünde Unwissenheit nennen. „Du wirst“ ist eine Versprechung. Das hebräische Wort des Urtextes jedoch, das Wort „timschal“ – Du kannst, du magst -, das läßt eine Wahl. Vielleicht ist es das bedeutsamste Wort auf der Welt. Es besagt: Der Weg liegt offen vor dir. Es verlegt die Entscheidung in den Menschen. Denn wenn ›du kannst‹ richtig ist, so ist auch ›du kannst nicht‹ richtig. Begreifen Sie?«

»Jaja. Ich begreife wohl. Aber du glaubst doch nicht, daß dies göttliches Gesetz ist. Wieso fühlst du seine Bedeutsamkeit?«

»[…] Alles Geschriebene, was das Denken und Leben unzähliger Menschen beeinflusst hat, ist bedeutsam. Nun, es gibt in Kirchen und Sekten viele Millionen, die den Befehl des „Du sollst“ verspüren und ihr Gewicht in die Waagschale des Gehorsams werfen. Und es gibt Millionen wiederum, die die schicksalhafte Vorbestimmung im „Du wirst“ fühlen. Nichts, was sie zu tun vermögen, kann das verhindern, was geschehen wird. Aber „Du kannst“, das macht den Menschen groß, das lässt ihn emporwachsen zu den Göttern. […] Es ist bequem, sich, aus Faulheit, aus Schwachheit, in den Schoß der Gottheit zu werfen und zu sagen: ›Ich konnte nicht anders; es war so bestimmt.‹ Doch, o über die Herrlichkeit der eigenen Wahl! Das erst macht den Menschen zum Menschen. Eine Katze hat keine Wahl, die Biene muss Honig machen. Nichts von Göttlichkeit ist darin.

Konfuzius hat den Menschen gesagt, wie sie ihr Leben auf Erden führen sollen, auf dass es recht und zufriedenstellend werde. Dies aber ist eine Leiter, auf der der Mensch zu den Sternen emporklimmen kann. Dies kann man nie verlieren.

Es zieht der Schwachheit, Feigheit und Faulheit den Boden unter den Füßen weg […] Ich erkenne, dass ein Mensch ein höchst bedeutsames Ding ist, wohl bedeutsamer als ein Stern. Ich habe eine neue Liebe für das funkelnde Werkzeug, Menschenseele geheißen. Ein herrliches, ein einzigartiges Ding innerhalb des Weltalls. Immerdar ist es Angriffen ausgesetzt, doch nie wird es vernichtet – aufgrund des „Du kannst“.« -Steinbeck, John (1952): Jenseits von Eden. S. 375-378

Nach einer Präsentation und einer VWA über die Relevanz von Wörtern und Sprache und der damit einhergehenden Interpretation bleibt mir nichts übrig, als die Quelle und eine der Inspirationen zu diesem Thema in Form eines besonderen Buchausschnittes zu teilen. Womöglich ist das die beste Überleitung bzw. Kurzfassung der Inhalte, die ich in dieser Arbeit zu finden versuchte. Jedenfalls stellte ich mir die ganze Zeit über vor, der eben so toll Sprechende zu sein. Übrigens ist „Jenseits von Eden“ ein wundervolles Buch und es war ein Genuss, Zeit mit einem intelligenten Menschen, dem Autor John Steinbeck, zu verbringen.

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Amelia (8a)

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